Tracht im Großes Walsertal

Der Volksschriftsteller Hansjakob Heinrich bereiste im Jahre 1875 das Große Walsertal. In seinen Aufzeichnungen schrieb er über die Tracht:

„Am lustigsten ist die Kleidung der Walser. Der Mann trägt schwarzlederne kurze Hosen, Strümpfe aus Schafwolle, weit ausgeschnittene Schuhe, lange Tuchwesten und Spenser, einen runden Filzhut, unter dem das Haar ziemlich lange hervorschaut. Die Jungen fangen übrigens an, dieses „ehrliche Häß“, wie die Alten sagen, abzulegen und sich „lutherisch“ zu kleiden. Die Frauen und Mädchen sind der alten Tracht treuer. Diese ist im Walsertal die bunteste Zusammenstellung der Welt. In allen Farben prangt der Festschmuck der Walserin, wie die Alpenflora der Heimat. Die tonangebende Farbe ist jedoch die rote. Rot sind Rock, Mieder und Strümpfe. Das Mieder ist am Rock angenäht, kann aber über der Brust nicht geschlossen werden, dazu dient ein Pappendeckel, der mit vielfarbigem Stoff überzogen ist und mit gelben Bändchen am Mieder befestigt wird. Auf dem Haupte sitzt die runde Pelzhaube, die Brämkappe, oder eine Wollmütze, schwer und der Kuppel einer romanischen Kirche nicht unähnlich. Im Sommer tragen die Frauen eine weiße, gefältelte Spitzenhaube, die ich ebenso wenig beschreiben kann, wie die Berge auf dem Mond.“

Frauentracht

Die Juppa ist ein Rock aus Tuch oder fest gewobenem Wollstoff. Die Farbe ist meist schwarz, vereinzelt aber auch rot oder violett. Die Juppa ist am Saum innen mit farbigem Baumwollstoff in rot, blau oder violett belegt. An der Außenseite des Saumes ist ein 3 cm breites Samtband aufgenäht. Die Juppa reicht von knapp unter der Brust bis zum Schuhrand. Früher war sie vorne etwas kürzer, um das Gehen im steilen Berggelände zu erleichtern.

Das Mieder ist aus schwarzem Moirè gearbeitet und mit Seidenbrokat in den Farben rot, blau oder grün unterlegt. Es ist vorne groß ausgeschnitten und wird meist mit dem „Briisnöschl“, einer roten Schnur, geschnürt. Das ausgeschnittene Mieder wird mit dem Fürtuch unterlegt, ein mit schwarzem Stoff überzogener, dreieckiger Karton,mit reicher Stickerei geschmückt.

Die Bluse ist aus weißem Leinen oder feinem Baumwollstoff mit weiten Ärmeln gearbeitet. Der Ärmel ist oben und am Handgelenk mit feinem Stehplissee gezügelt und bestickt. Das Krägle oder Liibli ist aus weißem Stoff, mit Spitzen verziert und wird von den verheirateten Frauen zum Schälkle oder Schlüttle getragen. Mädchen und ledige Frauen tragen das Liibli aus schwarzem Moirè, das mit den Farben des Mieders unterlegt ist. Für Mädchen gab es auch rote Liibli.

Die Schoß ist aus Seide oder Kunstseide mit zartem Muster. Sie hat doppelte Stoffbreite, reicht hinten bis auf 10 cm zusammen und wird durch die Schoßbändel geschlossen. Frauen haben eine dunkle Schoß, bei der oft ein Moiréband mitgezügelt wird (nie aber bei der hellen Schoß). Mädchen tragen eine weiße Schoß. Die Schoßbändel sind zwei bestickte Samt- oder Seidenbänder. Die bestickten Bänder werden zu einem „H“ gearbeitet und rechts und links mit einem Haken versehen, der mit dem Haft an der Schoß geschlossen wird.

Der Unterrock ist aus Wolle oder Baumwolle in den Farben violett, rot oder grün. Der Saum ist verschieden besetzt. Das Schälkle ist aus schwarzer, gemusterter Seide und der Form des Mieders angepasst.

Das Schälkle ist mit schwarzem Moirèband eingefasst, das mit feinen Vorstichen befestigt ist. Es ist das eleganteste der drei Überbekleidungen und wird zu festlichen Anlässen getragen. Das Schlüttle ist aus schwarzer Seide, Kunstseide oder eventuell aus feinem gemustertem Wollstoff gefertigt. Am Rücken sind kleine Falten eingearbeitet, sonst ist es dem Schälkle ähnlich. Das Tschöple ist in der Form dem Schlüttle ähnlich, ist jedoch aus einfachem schwarzem Wollstoff gefertigt. Die Ärmel sind beim Schlüttle und Tschöple oben leicht gezügelt und deshalb weiter und bequemer als beim Schälkle. Das Tschöple wird an Werktagen getragen.

Die Strümpfe sind in roter oder blauer Farbe, die Schuhe flach.

Das Schäppili ist in verschiedenen Farben gehalten und wird mit zwei roten Seidenbändern befestigt. Es wird aus feinen Silberdrähten, Silberbaillon, Gold- oder Silberblättchen und unzähligen kleinen Glasperlen gefertigt. Das Schäppili wird von den Mädchen und ledigen Frauen getragen. Dazu passt nur die weiße Bluse. Das Schäppili ist die schönste aller Kopfbedeckungen.

Die Brämchappa ist aus schwarzem Seehundfell und mit grünem Samtboden ausgestattet. Sie ist die nobelste aller Kopfbedeckungen für Frauen. Die Blaue Kappa oder Nudelkappa ist aus Wolle gestrickt und für den Winter gedacht. Dazu tragen die Frauen einen breiten und langen Flor (Wollschal). Die Weiße Haube besteht aus Tüll mit Spitzen und ist sehr stark gestärkt. Sie wurde in der Trauer und bei Festtagen (besonders in der warmen Jahreszeit) getragen. In jüngster Zeit wurde die Frauentracht durch einen schwarzen Hut bereichert. Dieser ersetzt sozusagen die Weiße Haube.

Die Frauen tragen eine Kette aus Granaten oder roten Glasperlen, die drei- bis viermal um den Hals reicht. Weiters wird um den Hals schräg hinten ein schwarzes Seidentuch gebunden. Vor dem Mieder und dem Fürtuch werden zwei Silberketten in losen Schlingen am Krägle befestigt.

Männertracht

Die Hose ist aus schwarzem Wollstoff oder Leder – bis unter das Knie reichend – mit Silberknöpfen und einem Band gebunden. Das Brusttuch ist eine schwarze Weste aus glattem Stoff, mit Blumenmuster bestickt und mit Silberknöpfen versehen. Der Tschopa ist ein Rock aus schwarzem oder dunkelblauem Wollstoff, ebenfalls mit Silberknöpfen versehen. Das Hemd ist aus weißem Leinen mit weiten Ärmeln und an den Bündchen rot bestickt. Um den Hals tragen die Männer ein grünes oder schwarzes Band, das in Schlaufen gebunden ist, oder eine kleine Krawatte, die wie das Brusttuch bestickt ist.

Den Kopf bedeckt ein schwarzer niedriger Filzhut. Die Burschen setzen die bestickte und mit einer Quaste versehene runde Chappa auf. Im Winter kann unter dem Hut die schwarze Zipfelchappa getragen werden. Die knielangen Strümpfe sind aus Wolle und gemustert gestrickt. Sie sind blau oder weiß. Flache Schuhe mit Silberschnalle bekleiden die Füße. Der Hafilok, ein schwarzer Schwungmantel, wurde meist nur von den vermögenden Männern getragen. Ein ca. 6 bis 10 cm breiter Gürtel aus Stoff ist bestickt und wird hinten geschlossen. Vorne sind die Initialen des Trägers eingestickt. Männer wie Frauen rauchten meist eine lange Pfeife.

Früher war die Tracht ein Alltagsgewand und sicher nicht immer in der noblen Ausführung wie beschrieben. Hier handelte es sich um die Festtagstrachten. Da die Tracht in nobler Ausführung auch eine finanzielle Frage war, wurden die Trachten vererbt und über Generationen getragen. Die Tracht kann heute als das nobelste aller Kleidungsstücke bezeichnet werden, und wir können sie mit Stolz tragen und damit die Zugehörigkeit zum Walsertum präsentieren.

Emil Burtscher