Das Höll-Loch, 100 Jahre Erforschung einer Höhle

VON TIBURT FRITZ

Mitten im Mahdtal öffnet sich ein furchteinflößender, mehr als 15 m breiter Schlund, das Höllloch. Wer sich in diesen wasserführenden, dunkel gähnenden Schacht wagt, dem darf der Mut nicht fehlen. Im Jahre 1905 gelang es dem Jagdaufseher Hermann Paul erstmals, ca. 70 m in den senkrecht abfallenden Schacht bis auf den ersten größeren Absatz abzuseilen. Er informierte Pfarrer Längle und Kaplan Franz Xaver Lutz in Riezlern. Sie planten nun, im Jahre 1906 die Höhle näher zu erforschen. 

Die Schispur von Dr. Maily (Quelle: Kleinwalsertaler Bilderbogen)

1861:

Carl Wilhelm von Gümbel, Leiter des Bayerischen Oberbergamtes, sondiert im Auftrage von König Maximilian, dem Vater von Ludwig II, die geologische Situation im Ifengebiet. Es wird nach Bodenschätzen gesucht.

Um 1900:

Prof. Dr. Max Förderreuther, Direktor des Gymnasiums in Kempten, untersucht um die Jahrhundertwende den Schacht von außen (Mess-Schnur, Falldauer von Steinen usw.) und kommt zum Ergebnis, dass er mehrere hundert Meter tief sein muss.

1904/05:

Die Breitachklamm wird ausgebaut.

1905:

Hermann Paul erreicht mit Abseilen den ersten Absatz in ca. 70 m Tiefe.

1906:

Pfarrer Längle und Franz Xaver Lutz aus Riezlern organisieren die erste, groß angelegte Erkundung des Hölllochs. Bei fünf Höhlenfahrten im Herbst 1906 gelingt bestens vorbereiteten Mannschaften (bis zu 50 Personen) an einem quer über den weiten Schlund gelegten Baumstamm, einem Flaschenzug und an einem 200 m langen Kriagseil (Seil, mit dem Mist auf die Felder transportiert wird) der Abstieg. Als Beleuchtung dienen Fackeln und Azetylen-(Karbid-) Lampen.

Mit Seilen werden 343 m – vom oberen zum unteren Höllloch-See – vermessen. Es wird ein Boot eingesetzt. Alfred Heurich, Erfinder des zusammenlegbaren Segeltuchbootes, wird 1906 in verschiedenen Zeitungen zitiert: „… Rechts verlief sich das Wasser in einem rundlichen See, wie wir feststellten, hatte dieser nur einen unterirdischen Abfluss, links war ein schmaler hoher Spalt. Wir waren am Ziel unserer Forschung. In zwei Stunden waren wir etwa 350 m vorgedrungen. Das Höllloch war erforscht.“ Die Erstbegeher vermuten damals, dass sich die Höhle mindestens noch 1500 m im Inneren des Berges hinzieht.

1935:

Am 23.März 1935 ist der Rechtsanwalt Dr. Maily aus Wörishofen auf einer Schitour im Mahdtal. Bei der Abfahrt gerät er an den Rand des Hölllochs, will noch vom Höhlenrand wegschwingen und stürzt dennoch rücklings ab. Er wird unter wagemutigem Einsatz von Karl Fritz (Luipolda Karle) und Gottlieb Kessler tot geborgen.

1936:

Am 13. September 1936 vermessen vier Bergsteiger aus Kempten wiederholt die Höhle. Während die Gruppe im unteren Teil unterwegs ist, zieht ein Unwetter auf. Herabstürzende Wasserfälle durchnässen die Bergsteiger und die Seile. Als Sepp Gerstmair aufsteigen will, sind die Hanfseile so aufgequollen, dass der Flaschenzug nicht mehr bedienbar ist. 30 m unter dem Kraterrand bleibt der Mann hilflos stecken und stirbt unter den herabstürzenden Wassermassen an Erschöpfung und Unterkühlung.

1938:

Es finden drei Befahrungen durch Walser Bürger statt. Sie versuchen durch Sprengungen den Siphon am unteren Höllloch-See zu umgehen.

1949:

An einer wissenschaftlichen Untersuchung des Hölllochs durch die Deutsche Gesellschaft für Karstforschung sind 13 Wissenschaftler, Techniker und Studenten beteiligt. Bei 90 Einfahrten besuchen 30 Personen die Höhle.

1950:

13 Personen der Deutschen Gesellschaft für Karstforschung führen bei 30 Einfahrten weitere wissenschaftliche Untersuchungen durch.

1964:

Eine Gruppe des Vereins für Höhlenkunde in München unter der Leitung von Klaus Cramer besucht das Höllloch. Der Wasserfall in der Natterkluft wird überwunden, aber die vermutete Umgehung des oberen Höllloch-Sees wird nicht entdeckt.

1971:

Alpenvereinsmitglieder der Sektion Immenstadt biwakieren erstmals in der Höhle.

1972:

Mitglieder des Münchner Höhlenvereins befahren den Schacht erstmals mit Perlonseilen und der Jümartechnik. In einer waghalsigen Aktion können Georg Ronge und Jürgen Becker die ersten zwei Wasserfallstufen des Oberlaufs mit zusammengeschraubten Kletterstangen überwinden. Im Herbst desselben Jahres wird im Oberlauf eine beeindruckende Halle entdeckt, sie erhält den Namen Helmut-Cramer-Halle. Gerhard Baur macht erste Filmaufnahmen.

1973:

Gerhard Baur dreht den Film „Eine Seilfahrt in die Unterwelt“.

1975:

Nach Vorarbeiten von Adolf Triller und Eugen Heimhuber gelingt es Jürgen Becker, die überhängende, glatte Wand der Helmut-Cramer-Halle zu überwinden. Im selben Jahr richtet der Höhlenverein Sonthofen ein hochwassersicheres Biwak in der Natterkluft ein, um zeitaufwändige Arbeiten in der Höhle durchführen zu können.

Der untere Hölllochsee

1976:

Erstmals wird getaucht. Jürgen Becker und Rupert Helmle erreichen die Luftglocke im zweiten Siphon.

1979:

Wolfgang Morlock kann wegen einer zu kurzen Führungsleine die Luftglocke im Siphon nicht erreichen.

1980:

Gerhard Baur und Benno Heimhuber bezwingen den letzten Wasserfall und erreichen den obersten Höllloch-See.

1985:

Wolfgang Morlock taucht als erster durch den zweiten Siphon und begeht die Druckstollen, vermutlich bis zur Kieshalde.

1989:

Hermann Maier aus Ulm taucht durch beide Siphons und erkundet die Druckstollen bis zum ersten Abstieg Richtung Silberdom.

1990:

Ein bunt gemischter Haufen von Kletterern und Höhlenforschern, hauptsächlich aus Immenstadt und Umgebung sowie aus dem Münchner Raum, planen jährliche Expeditionen.

1991:

Drei Höhlenbesucher werden am Ausfahren gehindert, weil jemand das Seil im Schacht nach oben gezogen hat.

1994:

Bei Renovierungsarbeiten im Sommer werden die Besucher aus dem Jahre 1990 von einem Schlagwetter überrascht und müssen 20 Stunden im obersten Teil des Hölllochs verbringen. Nur mit knapper Not entkommen sie den Wassermassen.

Gerhard Baur dreht den Film „Mit dem Wasser in die Tiefe“. Bei Unterwasser-Probeaufnahmen wird das Team vom Hochwasser überrascht und muss eine Nacht im Höllloch biwakieren. Nach den Filmaufnahmen wird der Quergang zum Waschhallenabstieg erbohrt.

Tropfsteine im Hölloch

1995:

Im Februar wühlen sieben Taucher im zweiten Siphon. Durch drei große Hallen werden Materialseilbahnen gebaut. Hermann Meier erreicht nach 60 m das Ende des dritten Siphon.

1996:

2. bis 7. Januar: Ca. 200 m lange Gänge bis zum vierten Siphon werden verfolgt. Eine enge Umgehung des ersten Siphons wird gefunden.

1997:

18. Januar: Ein Tauchgang im vierten Siphon überrascht. Er ist nur 2 m lang. Nach ca. 80 m wird der fünfte Siphon entdeckt. Inzwischen sind 3340 m begangen und ist eine Höhendifferenz von 281 m erreicht. Eine Sensation bahnt sich an: Durch neu entdeckte Gänge sind ca. 90 % des Hölllochs ohne Tauchen zu betreten. Durch Zufall wird hinter einem engen Schluf beim Endversturz der Natterkluft der Herkulessaal, der größte Raum im alten Höhlenteil, entdeckt.

1998:

Während acht Tagen Höhlenaufenthalt Ende Januar gelingt die Vermessung der Achterbahn und der Strecke vom vierten zum fünften Siphon. Dabei wird für den vierten Siphon eine Umgehung gefunden. In einem Gang bei der Plattenhalle gelingt die lang ersehnte Umgehung des dritten Siphons.

Der vollständige Artikel ist in Heft 78 der „Walserheimat“ zu finden.